Sollten die höchsten Richterinnen und Richter im Losverfahren bestimmt werden?

Überlegungen zur richterlichen Unabhängigkeit unter besonderer Berücksichtigung der Schweizerischen „Justiz-Initiative“. Ein wissenschaftlicher Artikel von Rechtsprofessorin Odilie Ammann.

Die institutionelle Ausgestaltung des Richteramts steht in der Schweiz in einem Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit. Dies trifft auch auf das Bundesrichteramt zu: Bundes- richter(innen) werden vom Schweizer Parlament nach Massgabe des Parteiproporzes gewählt und müssen sich nach Ablauf ihrer 6-jährigen Amtszeit zur Wiederwahl stellen. Aufgrund die- ser Besonderheit sind Kandidierende für das Bundesrichteramt faktisch gezwungen, einer Partei anzugehören, um für die Wahl überhaupt in Frage zu kommen. Die 2019 eingereichte Justiz-Initiative möchte eine Abkehr von diesem System erwirken, indem sie vorschlägt, dass die Mitglie- der des Bundesgerichts nach einer ersten, durch eine unabhängige Fachkommission vorgenommenen Vorauswahl per Losverfahren bestimmt werden; ausserdem soll deren Amtszeit erst fünf Jahre nach Erreichen des ordentlichen Rentenalters enden. Eine Abwahl durch das Parlament ist nur in schwerwiegenden Fällen vorgesehen. Der vorliegende Beitrag nimmt diese Initiative zum Anlass, um das schweizerische Verfahren zur Bestellung der Bundesrichter(innen) kritisch zu beleuchten. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang der von Dennis Thompson und Lawrence Lessig entwickelte Begriff der institutionellen Korruption. Der Beitrag zeigt, dass die Justiz-Initiative dazu beitragen kann, diese institutionelle Korruption zu verhindern und die Unabhängigkeit der Bundesrichter(innen) wesentlich zu stärken.

Zum Aufsatz von Rechtsprofessorin Odilie Ammann.

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